Interview mit Ingo Römling

Liebe Ladys and Gentlemen, heute darf ich euch im Rahmen meines Comic-Specials »Viktorianisches Pfingsten mit Malcolm Max« ein feines Interview mit dem künstlerischen Kopf hinter den Comics präsentieren. Es war mir eine große Freude, dass Ingo sich die Zeit genommen hat mir ein paar Fragen zu beantworten. Somit kann ich euch nun einen spannenden Einblick hinter die Kulissen darbieten. Im Interview könnt ihr etwas über die Arbeit des Zeichners an den »Malcolm Max« Alben erfahren, welches seine Lieblingsszenen sind, was er mit dem viktorianischen Zeitalter verbindet und es gibt auch noch ein paar Comic-Tipps!

© Ingo Römling
© Ingo Römling

Bella’s Wonderworld: Würdest du Dich zu Beginn bitte mit ein paar Worten zu Deiner Person vorstellen?

Ingo Römling: Ich heiße Ingo Römling, Jahrgang 1969, lebe seit 2 Jahren in Berlin und bin Comiczeichner.

Bella’s Wonderworld: Welche Bedeutung hat „Malcolm Max“ für dich? Was hat dich am meisten daran gereizt die Story zeichnen zu wollen?

Ingo Römling: Ich glaube, ich wollte die Chance ergreifen und richtig in den Beruf als Comiczeichner einsteigen. Ich hatte schon für Independent-Verlage Kurzgeschichten und Strips gezeichnet, das meiste ohne Honorar, aber ich konnte Erfahrung sammeln. Ich hatte noch keine längere Geschichte erzählt, als Zeichner und Mit-Autor, der an den Einnahmen beteiligt ist. „Malcolm Max“ war meine Chance, mein erstes Album-Projekt. Und auch mein erster Verlagsvertrag. Bei Splitter, dem größten deutschen Albumverlag im Bereich Phantastik für Erwachsene. Und Peter ist ein großartiger Autor. Ich fühle mich wirklich geehrt und gesegnet, dass das geklappt hat… dass ich jetzt Teil davon bin.

© Ingo Römling
© Ingo Römling

Bella’s Wonderworld: Was hat dich bei der Zeichnung von Malcolm Max, Charisma und Co. inspiriert?

Ingo Römling: Peter hatte zu jeder Figur eine Menge Referenzmaterial gesammelt. Das finde ich großartig, denn so bekomme ich besseren Einblick in die Vorstellungen des Autoren. Ich fange dann meistens schonmal mit Skizzen an und verarbeite dabei alles, was mir beim Zeichnen in den Sinn kommt. Bei Charisma Myskina dachte ich an zwei britische Schauspielerinnen: Polly Walker in „Patriot Games“ (mit Harrison Ford und Sean Bean) und Amanda Donohoe in „The Lair of The White Worm“, einer Bram-Stoker-Verfilmung aus den 80er Jahren mit einem sehr jungen Hugh Grant.

© Ingo Römling
© Ingo Römling

Bei Malcolm Max musste ich an jemanden denken, der mit der viktorianischen Epoche oder mit Detektiven rein gar nichts zu tun hat – an den „Disco“-Moderator Illja Richter! Keine Ahnung, warum – aber es passte! Illja Richter trug in der Sendung oft ziemlich schrille Anzüge, oft mit Weste, knallbunten Krawatten oder Fliegen und hatte so eine voluminöse Frisur mit Seitenscheitel. Ich stellte mir Malcolm Max als brillianten Denker, aber auch als Dandy vor, der sich selbst für unwiderstehlich hält. Dazu verpasste ich ihm den Dreitagebart von Robert Downey Jr. in der Rolle des „Sherlock Holmes“ und die Arroganz von Pierce Brosnan in der Detektiv-Serie „Remington Steele“. Voilà. Das wurde dann Malcolm Max.

Malcolm Max - Blutrausch, Seite 55
Malcolm Max - Blutrausch, Seite 55

Bella’s Wonderworld: Was verbindest Du mit dem viktorianischen Zeitalter?

Ingo Römling: Es war ein Zeitalter des Umbruchs – die Weichen für die Industrie-Gesellschaft wurden gestellt, es passierte ein ungeheurer technischer Fortschritt, alle Naselang kam jemand mit einer bahnbrechenden neuen Erfindung um die Ecke, meistens irgendwelche zischenden, dampfenden, brodelnden Maschinen oder seltsame Apparate, die Funken sprühten – das beflügelte einerseits die Phantasie der Menschen und beförderte den Glauben, der Mensch könne alle physikalischen Gesetze mit Hilfe der Technik brechen und Grenzen überwinden, die bis dato von Schwerkraft, Raum oder Zeit gesetzt wurden. Zum Beispiel erschienen in diesem Zeitraum viele phantastische Erzählungen von Jules Verne wie „Die Reise zum Mond“, „In 80 Tagen um die Welt“, „20.000 Meilen unter dem Meer“ oder auch „Die Zeitmaschine“ von H. G. Wells.

Anderen Menschen jagte das gehörige Angst ein – sie verteufelten viele Erfindungen, die sie nicht verstanden. Elektrizität, Magnetismus, Dampfkraft waren widernatürlich und blasphemisch. Die Industrialisierung, der blühende Handel mit anderen Ländern spaltete die Bevölkerung in eine hart schuftende Arbeiterklasse und eine Oberschicht, die den Profit einstrich. Das erzeugte jede Menge Konflikte und Spannungen. Eine hochinteressante und faszinierende Epoche … voller heller Lichter und tiefer Schatten.

© Ingo Römling
© Ingo Römling

Bella’s Wonderworld: Hast du einen speziellen Bezug zu den Charakteren aus „Malcolm Max“ entwickelt? Gibt es vielleicht sogar eine Lieblingsfigur?

Ingo Römling: Nein, es gibt eigentlich keine Lieblingsfigur. Peter und ich, wir haben zu jeder der Figuren eine ganz eigene, individuelle Beziehung. Jeder hat seine Stärken und Schwächen und ist auf seine eigene Art liebenswert. Auch die Bösewichte.

Bella’s Wonderworld: Charisma Myskina stellt eine außerordentlich selbstbewusste und toughe junge Frau für die damalige Zeit dar. War das einer der Beweggründe, sie im Gegensatz zur dominierende Frauenmode im 19. Jahrhundert mit einer weniger einschränkenden Garderobe auszustatten?

Malcolm Max - Nightfall, Seite 18
Malcolm Max - Nightfall, Seite 18

Ingo Römling: Gut erkannt, haha! Ich wollte Charisma tatsächlich ein wenig freizügiger gestalten, als es die damalige Mode in London vorgab. Sie kommt schließlich aus einem fernen Land. Sie ist auch eine kleine Hommage an meine Zeit in der „Schwarzen Szene“ – Mitte 90er bis etwa 2010 war ich ein Goth. Schwarzer langer Mantel, schwarze Klamotten, silberne Ringe, düstere Musik – das war mein Style. Irgendwann fand ich’s albern, immer nur schwarz rumzulaufen – aber ich blicke eigentlich ganz gern zurück. War eine coole Zeit.

Bella’s Wonderworld: Was war für dich bisher die größte Herausforderung, vor die Dich die Zeichnung, der im viktorianischen Zeitalter angesiedelten Story gestellt hat?

Ingo Römling: Die Architektur… ich hab es immer gehasst, Architektur zu zeichnen – aber ich musste. Es war anfangs eine Qual, all diese Fassaden, gusseiserne Balkone, schnörkelige Fenster, alles war verziert. Echt todschick, ich mag es, aber es ist eine irre Arbeit, all das zu zeichnen. Ich finde, es ist ungemein wichtig, beim Comiczeichnen genügend Augenmerk auf das Szenario zu richten. Ich hab mich also gequält – aber irgendwann begann es mir Spaß zu machen. Wenn du dir die Bände 1 bis 4 anschaust, wirst du vielleicht bemerken, dass meine Zeichnungen eher noch üppiger geworden sind.

Malcolm Max - Blutrausch, Seite 11
Malcolm Max - Blutrausch, Seite 11

Bella’s Wonderworld: Deine Panels sind unglaublich detailliert ausgearbeitet. Welche Ansprüche hast du beim Zeichnen an Dich selbst und wie lange arbeitest Du durchschnittlich an einem „Malcolm Max“-Album?

Ingo Römling: Danke! Ich möchte, dass meine Figuren lebendig wirken. Ein „Malcolm Max“ Album braucht etwa 2 Jahre. Bisher war ich nicht in der Lage, kontinuierlich an der Serie zu arbeiten, weil sie noch nicht genügend Geld einbringt. Aber „Malcolm Max“ wächst und gedeiht. Mittlerweile sind wir in Schweden und Polen vertreten, und es gibt auch Interesse von weiteren Verlagen aus dem Ausland. Um meine Arbeit an „Malcolm Max“ zu finanzieren, zeichne ich „Star Wars“ und „Trolljäger“ für Panini. Es gibt auch Pläne für zukünftige Projekte, aber da kann ich noch nicht viel verraten…

© Ingo Römling
© Ingo Römling

Bella’s Wonderworld: Bei welchen Zeichnungen an Malcolm Max hattest Du am meisten Spaß?

Ingo Römling:Wie gesagt, ich mag die Ballsaal-Szene in Band 3 sehr gerne, ich bin ein bißchen stolz darauf, wie sie geraten ist. Die hat auch großen Spaß beim Zeichnen gemacht. Es ist aber im Grunde schwer zu sagen, was jetzt am meisten Spaß gemacht hat. Ich habe mich in Band 4 jedesmal auf den Auftritt von Solace gefreut, vor allem als sie in ihre wahre Gestalt wechselt. Ich mag, wie Peter die Figur angelegt hat. Aber auch Dircé, eine mysteriöse junge Frau, die erst in Band 5 eine größere Rolle spielen wird. Es sind alles starke Charaktere, ich mag sie sehr gerne.

Ich zeichne jetzt seit etwa 10 Jahren professionell Comics… ich glaube, je mehr man sich als Zeichner entwickelt, desto mehr beginnt man das Gesamtbild zu sehen, und nicht mehr eine Ansammlung von Einzelteilen, jetzt zeichne ich eine Hand, jetzt einen Fuß, jetzt ein Auto, jetzt einen Baum. Dinge, die anfangs deine volle Konzentration beansprucht haben, machst du irgendwann automatisch, das ist wie beim Klavierspielen oder beim Autofahren. Will sagen: Ich zeichne nicht nur, ich inszeniere, ich interpretiere, denke in Stimmungen, in Räumen, ich höre Musik beim Zeichnen, ich höre die Stimmen der Charaktere und empfinde ihre Gefühle nach. Was mir Spaß macht, ist das Zeichnen selbst.

© Ingo Römling
© Ingo Römling

Bella’s Wonderworld: Gibt es eine Lieblingsszene? (Und wenn ja weshalb diese?)

Ingo Römling: Ein paar Szenen mag ich sehr. Ich finde die Kuss-Szene am Anfang von Band 1 sehr schön, denn man sieht sie eigentlich gar nicht. Es spielt sich alles hinter einem Grabstein ab, auf dem oben so ein trauernder Engel drauf ist, der den Kopf hängen lässt. Es wird sehr viel geredet hinter diesem Grabstein, über die Theorie des Küssens – und ich finde, mit jedem weiteren Panel sieht der Engel so aus, als würde er nicht trauern, sondern eher denken: „Hoffentlich verschwinden diese Idioten bald, ich will meine Ruhe“.

Malcolm Max - Body Snatchers, Seite 6
Malcolm Max - Body Snatchers, Seite 6

Malcolm Max - Body Snatchers, Seite 7
Malcolm Max - Body Snatchers, Seite 7

Aber ich glaube, meine Lieblingsszene ist in Band 3, die Szene im Ballsaal, die tanzenden Paare, das ironische Gespräch zwischen Malcolm Max und der reichen Whiskey-Fabrikantin Mrs. Jameson, und wie Charisma den jungen Erfinder Guglielmo um den Finger wickelt. Außerdem habe ich eine Bekannte dort eingebaut – an der Geige sieht man Ally Storch, die mittlerweile bei „Subway to Sally“ spielt.

Malcolm Max - Nightfall, Seite 12
Malcolm Max - Nightfall, Seite 12

Bella’s Wonderworld: Wie kann man sich Deine Arbeit an einem Comic-Projekt wie „Malcolm Max“, insbesondere die Zusammenarbeit mit Peter Mennigen vorstellen?

Ingo Römling: Viele, viele E-mails und Telefonate, viel Kaffee und lange Nächte am Zeichentisch…

Bella’s Wonderworld: Liest Du selbst (noch) Comics? Welche würdest Du empfehlen?

Ingo Römling: Warum „noch“? Natürlich lese ich Comics, genauso wie ich Bücher und Zeitung lese, Radio höre oder mir Filme anschaue – auch wenn ich leider viel zu wenig Zeit dafür habe.

Die Webcomic-Reihe „Das Leben ist kein Ponyhof“ von Sarah Burrini hat vor kurzem 10-jähriges Jubiläum gefeiert. Sarahs Humor ist ein Juwel in der deutschen Comicszene, sie beobachtet scharf und verfügt über ein seltenes Gespür für Pointen. Ganz ganz großes Kino.


Mit „Lucky Luke sattelt um“ hat Mawil einer sehr altehrwürdigen Serie einen ganz neuen Hüftschwung verpasst, und das mit einer Frechheit, die man liebhaben muss und das Original manchmal sogar toppt, so weit lehne ich mich jetzt mal aus dem Fenster. Spitze.

„Die alten Knacker“ von Wilfrid Lupano und Paul Cauuet – eine wunderschöne und leichtfüßige Geschichte über drei Freunde, mittlerweile alle 70 plus, die aber im Inneren immer noch kleine Jungs geblieben sind. Klasse gezeichnet, klasse geschrieben.

„Lydie“ von Zidrou und Jordi Lafebre – es geht um die Bewohner einer kleinen Gasse, unter ihnen die junge Camille, die im Kindbett ihr Baby verliert – eine schlimme Tragödie, die sie nicht verarbeiten kann. Sie ist fest davon überzeugt, dass ihr Kind, Lydie, noch am Leben und bei ihr ist. Um ihr die Illusion nicht zu nehmen, steigen nach und nach alle Bewohner der Gasse in das Spiel um das „unsichtbare Kind“ mit ein. Die unsichtbare Lydie wird von allen bewundert, gehätschelt, beschützt… und wächst heran. Extrem berührende Geschichte. Bitte lesen.

„La Mort Vivante“ – allein wegen der umwerfenden Illustrationen von Alberto Varanda anschauenswert.

Ich könnte noch so viel mehr empfehlen, aber ich mach mal Schluss hier.

Bella’s Wonderworld: Ich möchte mich zum Abschluss noch einmal ganz herzlich bei Dir für die Beantwortung meiner Fragen bedanken.

Ingo Römling: Gerne!

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3 Kommentare

  1. Liebe Bella!
    Was für ein wunderbares Interview! Ingo Römling hab ich auch sehr sehr sympathisch in Erinnerung, seine Zeichnungen in meinen Bänden werde ich wohl ewig als Schätze sehen. Schön, dass du uns so einen schönen Einblick in seine Welt gegeben hast ❤️

    Sonnigste Grüße!
    Gabriela

    • Liebe Gabriela,

      vielen Dank fürs vorbeischauen und hätte ich mich doch nur schon vor der LBM etwas mehr erkundigt, dann hätte ich mir auch gleich die Ausgaben zugelegt und alle mit einer Zeichnung von Ingo verschönern lassen! Diesen Schatz musst du wirklich gut bewahren und bestimmt haben die Comics auch einen ganz tollen Ehrenplatz in deiner Sammlung :)

      Mal sehen, ob sich bei uns noch die Sonne herauswagt, der Tag hat ganz schön verregnet begonnen…

      Herzliche Grüße
      Bella

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