{Rezension} Adults von Emma Jane Unsworth


Lesedauer: 5 Minuten

Jenny McLaine steckt mitten in ihren 30ern, arbeitet für ein feministisches Onlinemagazin ›The Foof‹ und ist frisch getrennt von ihrem Künstlerüberflieger-Freund Art. Abhängig vom Zuspruch anderer und geplagt von ihrer obsessiven Instagram-Besessenheit stürzt Jenny ungebremst in eine Lebenskrise. Als ihr dann auch noch die Kündigung droht und ihre Mutter bei ihr einzieht, erreicht das Midlife-Crise-Drama seinen Höhepunkt.

Zugegeben, ich falle mit meinen dreiunddreißig Jahren genau in die Zielgruppe von Emma Jane Unsworth Roman »Adults«. Der erfrischend bissige Schreibstil und die überspitzte Hauptprotagonistin Jenny haben aber auf jeden Fall das Zeug dazu auch Leser*innen außerhalb dieses Lebensabschnittes zu catchen. Männer, die schon immer wissen wollten, welchen Spagat ihre Freundinnen in den 30ern zwischen Job, Freunden, Familienplanung und Social Media machen, sind mit diesem Buch gut beraten.

»In meinen Zwanzigern habe ich mich schon wie in der Rushour gefühlt. Dabei waren die einfach nur angenehm hektisch. Nein, die Dreißiger sind die wahre Rushhour.«
Seite 59

Emma Jane Unsworth erzählt aus der Ich-Perspektive der Hauptprotagonistin Jenny McLaine über das, was im Leben der Mittdreißigerin los ist und wie sehr Social-Media und die durchwachsene Beziehung zu ihrer Mutter ihre Existenz prägen. In den Kapiteln finden sich immer wieder auch E-Mail-, SMS- und Instagram-Texte, die die eh schon spritzige Erzählweise der Autorin zusätzlich auflockern.

Wie romantisch eine Liebesbeziehung mit E-Mails (die dem Briefe schreiben heute noch am nächsten kommt) beginnen kann, wird mit einem Rückblick auf das Kennenlernen zwischen Jenny und Art deutlich. Doch die Beziehung hält der Wirren des Lebens nicht stand, eine Fehlgeburt markiert den Anfang vom Ende, denn Art möchte lieber ungebunden bleiben und Jennys Fokussierung auf die Instagram-Influencerin Suzy Brambles machen das Ganze auch nicht besser. Die Krise erreicht ihren Höhepunkt mit dem Verlust ihres Jobs bei einem Onlinemagazin und dann zieht auch noch ihre Mutter in ihr Haus, dass sie sich eigentlich gar nicht mehr leisten kann.

»Hier wurde mir zum ersten Mal das Herz gebrochen, und dieser Schmerz läuft in einer Dauerschleife, die ich nicht zu durchbrechen vermag.«
Seite 149

Meiner Meinung nach hätte der Roman keine schwierige Tochter-Mutter-Beziehung nötig gehabt. Doch dieses Puzzleteilchen ist vielleicht auch genau der Auslöser für Jennys große Schwierigkeiten in zwischenmenschlichen Beziehungen. Der Schmerz nicht genug geliebt zu werden sitzt bei Jenny tief und reicht auf das Weihnachten 1999 zurück, wo ihre Mutter lieber mit ihrem Liebhaber auf die Bahamas reiste, als Zeit mit ihrer Tochter zu verbringen.

Jenny ist ein zugegeben ziemlich überzogen gezeichneter Charakter, fängt jedoch genau die Essenz dessen ein, was die Jahrgänge der Millennials ausmacht. Diese Generation wurde vom Übergang einer analogen in eine digitale Welt wohl wie keine andere Generation beeinflusst. Emma Jane Unsworth zeigt die daraus erwachsenen Auswüchse mit einem Augenzwinkern und einiges an Drama auf, sodass ich mich wirklich oft in der Protagonisten wiedergefunden habe. Jennys Selbstbezogenheit, ihre Unsicherheit, die sie immer wieder dazu treibt Instagram- und E-Mail-Texte an ihre beste Freundin zum Lesen und Analysieren zu schicken und ihre extreme Abhängigkeit von Likes und Aufmerksamkeit in dem Bildschirmzeitalter halten den Digital Natives gekonnt den Spiegel vor und regen dazu an das eigene Verhalten zu überdenken. Engen wir uns mit dem digitalen Teilen so sehr ein, dass eine gesunde Selbstwahrnehmung komplett verloren geht und wir das wirklich wichtige aus den Augen verlieren?

Am absoluten Tiefpunkt angelangt bricht aus Jenny beim Kauf des nächsten Weins heraus, was sie tatsächlich denkt: »Facebook ist mein persönliches Vietnam.«

Facebook […] ist ein datensammelndes Unternehmen, das sich als geselliges Beisammensein tarnt, obwohl es in Wahrheit darauf aus ist, Unsicherheit und Schmerz zu befeuern. […] was Orwell nicht vorausgesagt hat, war, dass wir die Kameras freiwillig BEI UNS ZU HAUSE aufstellen würden.
Seite 133


Am Boden angelangt kommt es zum großen Wendepunkt des Romans, Jenny schafft es nicht alleine zu dem Menschen zu werden, der sie eigentlich sein möchte, sondern nur mithilfe ihrer engsten Freundin und strikter Smartphone-Nutzungsbegrenzung, kommt sie zurück auf den rechten Weg.

Mich konnte Emma Jane Unsworth mit ihrem Werk tatsächlich gut unterhalten, auch wenn sie zu viele wichtige Themen angeschnitten hat, welche dann schließlich nicht alle ausreichend Aufmerksamkeit zugemessen bekommen. Weniger ist manchmal dann doch mehr.


Emma Jane Unsworth zeichnet in »Adults« ein rohes, ungeschminktes Bild des Lebens hinter der schönen Onlinewelt versteckt. Dieser verschmitzte Roman trifft den Zeitgeist der digitalen Generation auf unterhaltsame und auch dramatische Weise.

★★★★☆

*WERBUNG*


Titel: Adults
Originaltitel: Adults
Autorin: Emma Jane Unsworth
Übersetzerin: Viola Krauß
Genre: Gegenwartsliteratur
Verlag: Eichborn (Bastei Lübbe)
ISBN-13: 978-3847900696
Format: Gebunden
Seitenanzahl: 400 Seiten
Preis: 22,00 €
Erschienen: 30. April 2021

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Emma Jane Unsworth hat bereits zwei preisgekrönte Romane veröffentlicht: Hungry, the Stars and Everything (Betty Task Award) und Animals (Biester, Metrolit 2014), ausgezeichnet mit dem Jerwood Prize. Die Verfilmung von Animals hatte auf dem Sundance Film Festival 2019 Premiere; für das Drehbuch erhielt Emma Jane Unsworth beim British Independent Film Award den Preis für das beste Drehbuchdebüt 2019. Ihre journalistischen Texte erscheinen regelmäßig in Zeitungen und Magazinen, u. a. in Guardian Weekend und The Pool. Aktuell arbeitet sie an der Fernsehadaption von Adults sowie an einem Memoir über postnatale Depression, das nicht deprimierend ist.

Quelle: Bastei Lübbe


„Adults“ von Emma Jane Unsworth ging mir in vielerlei Hinsicht nahe.
Buchstabenträumerei

Emma Jane Unsworth zeichnet ein mal scharfes, mal albernes Bild der aktuellen Follow-for-follow-Gesellschaft.
Bock & Kohle

Ein rasanter, witziger und brutal ehrlicher Roman, der sich als ziemlich tiefgründig entpuppt.
Litaffin

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2 Kommentare

  1. Hallo liebe Bella,

    hm..hm….eine E-Mail kann nie und niemer einen selbstgeschriebenen Brief/Liebesbrief ersetzen.
    Eine E-Mail kann man löschen

    ….ein Brief muss geschrieben werden und auch abgeschickt werden immer noch durch die Post, also muss man „raus“ in die reale Welt zumindest zum nächsten Postkasten…augenzwickern…

    Und auch der Empfänger bekommt durch den Brief etwas in die Hand …handfest…,dass doch weit über eine E-Mail hinausgeht…oder?

    Zuerst die Freude über Post im Kasten kommt heute eher seltener vor und dann die Freude über das Geschriebene selber eine Sache für die Ewigkeit…

    Das Mann/Frau/D aufheben und sich immer wieder anschauen/lesen kann…E-Mail löscht man ja irgendwann mal oder sie werden vom System selber gelöscht….

    Vielleicht mögen Liebesbriefe in der heutigen Zeit „out sein“ , aber wer sie nicht kennengelernt hat/haben darf hat was verpasst……finde ich…

    LG…Karin..

    PS: was für ein Kuchen gibt es eigentlich bei Deiner Covergestaltung zum Roman?

  2. Liebe Karin,

    natürlich kann eine E-Mail einen Liebesbrief auf Papier nicht ersetzen (da treffen deine Ausführungen genau zu), und die Ironie dessen wollte ich damit zum Ausdruck bringen, genau wie es die Autorin in ihrem Roman tut :)
    Vielleicht ein wenig übertrieben – aber gerade das macht es unterhaltsam.

    Dennoch trifft das was Emma Jane Unsworth mit ihrer Aussage, dass E-Mail das sind, was Briefen heute noch am nächsten kommt, die Realität sehr gut. Die Entwicklung geht ja sogar schon eher dahin, dass nur noch per WhatsApp und Co. geschrieben wird und sich viele schon nicht mal mehr die Mühe machen eine E-Mail zu schreiben. Du siehst, worauf es hinausläuft *zwinker*

    Nun zum Kuchen – das ist ein Rhabarberkuchen mit Meringenguss (manche kennen es auch unter der Bezeichnung Baiserhaube). Ganz einfach gemacht und so lecker!

    Herzliche Grüße
    Bella

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