{Rezension} American Spy von Lauren Wilkinson

Die alleinerziehende Mutter Marie Mitchell wird eines Nachts von einem bewaffneten Mann in ihrem Haus angegriffen und entkommt ihm nur knapp. Ihre Vergangenheit als amerikanische Spionin hat sie eingeholt. Um ihre Söhne in Sicherheit zu bringen, flieht sie mit ihnen außer Landes, zu ihrer Mutter in ein kleines Dorf auf Martinique.

In der ländlichen Abgeschiedenheit kommt Marie zur Ruhe und schreibt ihre Geschichte über die Arbeit als Geheimagentin beim FBI, den kalten Krieg und die Schwierigkeiten, als Frau und Afroamerikanerin in einer von Männern dominierten Welt zu bestehen, nieder. Zunächst werden Marie keine Aufträge zugeteilt und ihr beruflicher Alltag besteht aus Papierkram. Als sie dann ein Angebot erhält, sich an einer Spionage-Operation zu beteiligen, ahnt sie nicht, dass dieser Auftrag ihr Leben auf den Kopf stellen wird.

Der erste Roman der amerikanischen Schriftstellerin Lauren Wilkinson »American Spy« ist kürzlich in der deutschen Übersetzung im Tropen Verlag erschienen und weckte sofort meine Neugier, denn in der Geschichte geht es um Spionage und das aus Sicht einer afroamerikanischen Frau, die beim Geheimdienst tätig war.

»Das Problem ist ja nicht nur, dass ich eine Frau bin […].
Ich bin auch noch schwarz. Da steht’s schon mal zwei zu null gegen mich.«
Seite 126

Der Roman trägt die Bezeichnung Thriller, jedoch muss ich sagen, dass es für mich zu wenig nervenaufreibende Stellen gab, die diese Einordnung rechtfertigen würden. Dennoch ist »American Spy« ein unheimlich interessanter Roman, der in die Arbeit der Geheimdienste von Regierungen einführt, ein authentisches Abbild des Kalten Krieges liefert und dabei noch eine starke weibliche Hauptfigur mit schwarzer Hautfarbe in den Fokus stellt. Diese Mischung sorgt für genügend Unterhaltungswert und lässt es trotz ausbleibender Spitzen des Spannungsbogens keine Langweile aufkommen.

Der Aufbau der Geschichte ist geschickt gewählt und führt die Leser*innen Schritt für Schritt, in Zeitsprüngen zwischen der Gegenwart (Briefform) und der Vergangenheit (Tagebucheinträgen), durch Maries Leben. Begonnen beim mörderischen Angriff auf Marie und ihre Kinder in der Gegenwart, sieht sich diese veranlasst ihr Leben niederzuschreiben, dass ihre Kinder etwas über sie erfahren, sollte es ihr nicht gelingen bei dem Versuch ihren Verfolger auszuschalten, zu überleben.

Durch die Tagebucheinträge kann man sich recht schnell ein Bild der taffen Protagonistin machen, die über ihre Herkunft als karibische Einwanderin in Amerika ebenso reflektiert wie über ihre Familie sowie die bereits verstorbene Schwester. Eine große Rolle nimmt auch Maries Karrierelaufbahn über die Ausbildung beim FBI, ihre Tätigkeit beim CIA und ihren Einsatz für ein Spionageprojekt in Burkina Faso ein, für das sie aufgrund ihrer Hautfarbe prädestiniert ist. Die Auswirkungen des Kalten Krieges sind mit den Zeilen verwoben und auch die Diskriminierung von Schwarzen und Frauen ist ein Thema, das mitschwingt. Mich berührte ungemein die klare Darstellung der Nichtzugehörigkeit von Marie, die in Amerika als auch in Burkina Faso als Fremde wahrgenommen wird.

Die Spannung zieht mit den komplexen politischen Situationen in den Roman ein, und als besondere Zugabe habe ich vieles über den Kalten Krieg dazu gelernt, dass ich bis dahin nicht kannte.

»Sankara benannte das Land in Burkina Faso um, das Land der aufrichtigen Menschen, und verfasste die Nationalhymne.«
Seite 110

Das Wissen über Burkina Faso und welche politischen Ränke im Geheimen geschmiedet wurden, um die Militärdiktatur von Thomas Sankara aufzulösen und das Land durch die Einführung eines Wahlsystems nach französischem Vorbild in die gewünschte Richtung zu lenken, habe ich neugierig aufgesogen. Lauren Wilkinson hat ein Gespür dafür, komprimierte Informationen über die Geschichte in ihren Text einfließen zu lassen, sodass man regelrecht Lust bekommt mehr darüber zu erfahren und damit indirekt zum Recherchieren angeregt wird.

Zumeist ist Lauren Wilkinsons Schreibstil angenehm flüssig zu lesen, doch es gibt gerade zu Beginn, und immer wenn die Handlung in die Gegenwart schwenkt, wie in Briefen üblich, eine direkte Anrede, mit der Sie ihre Söhne anspricht. Das störte meinen Lesefluss ungemein und hätte sicherlich auch besser gelöst werden können, indem man zum Beispiel die Briefform etwas offensichtlicher darlegt.


Ein unglaublich mitreißend erzählter Spionage-Roman, der politische Weltgeschichte mit einer erfrischenden schwarzen Agentin und deren Wahrnehmung verknüpft.

★★★★☆

*WERBUNG*


Titel: American Spy
Originaltitel: American Spy
Autorin: Lauren Wilkinson
Übersetzerinnen: Jenny Merling, Anne Emmert, Katrin Harlaß
Genre: Thriller
Verlag: Tropen (Klett-Cotta Verlag)
ISBN-13: 978-3608504644
Format: Broschiert
Seitenanzahl: 352 Seiten
Preis: 16,00 €
Erschienen: 25. Juli 2020




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Lauren Wilkinson, aufgewachsen in New York City, lebt in der Lower East Side. Sie lehrte Schreiben an der Columbia University und am Fashion Institute of Technology. Ihre Texte sind im Granta Magazine erschienen. American Spy ist ihr erstes Buch.

Quelle: Klett-Cotta Verlag


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2 Kommentare

  1. Einen wunderschönen guten Abend,

    kein Thriller, eher ein Polit-Dramen-Briefroman? Klingt spannend, schon allein vom Aufbau und der Protagonistin her und die Story. Ja, eigentlich alles.
    Biefromane sind immer so eine Sache, aber wenn du sagst, es lässt sich gut folgen und die Prota schreibt ja ihre eigene Geschichte auf, dann sollte es ja kein Problem sein.

    Danke für die Empfehlung.

    Liebe Grüße
    Tina

    • Liebe Tina,

      ja genau für mich war das definitiv mehr Polit-Drama als Thriller. Da aber nicht alles in Briefform geschrieben ist, nur zwischendurch ein paar Kapitel, lässt sich der Großteil wirklich gut lesen.

      Vielleicht ist das Buch ja etwas für Dich und kann Dich auch begeistern :)

      Viele Grüße
      Bella

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