{Rezension} Phon von Marente de Moor


Lesedauer: 4 Minuten

Ohrenbetäubende Geräusche am Himmel über den einsamen Wäldern Westrusslands treiben Lew fast in den Wahnsinn. Seine jüngere Ehefrau Nadja, wohnt mit ihm in naturverbundener Einsamkeit, denn die Kinder sind schon lange erwachsen und aus dem Haus und so schweift sie in Gedanken immer wieder zu dem großen gemeinsamen Traum ab, den sie einst an diesen Ort verschlug.

Mit den Geräuschen kommen auch die Erinnerungen an die Vergangenheit und finstere Ereignisse zurück, die sie längst begraben glaubte….

Sehr gerne folge ich Geschichten in einsame Gebiete und an weit entfernten Orte, sodass ich bei Marente de Moors neuem Roman »Phon« einfach nicht widerstehen konnte. Als Schauplatz dient nämlich der mythenbehaftete russische Wald und außerdem verspricht die Geschichte, über ein dort lebendes Ehepaar, subtile Spannung durch die psychologischen Aspekte der Isolation.

Die Geschichte wird aus der Perspektive von Nadja erzählt, die sich als Studentin in ihren Professor verliebte, ihn später heiratete und schließlich gemeinsam mit ihrer großen Liebe den Traum von einer Forschungsstation in den russischen Wäldern träumte. Doch gegenwärtig ist Lew nur noch ein Schatten seiner selbst und während komische Geräusche aus dem Himmel eine berückende Atmosphäre schaffen, faselt Nadja etwas von einem Zugführer und die Wunden der Vergangenheit über das Scheitern ihres großen Traumes wird wieder aufgerissen.

Nach und nach hatte ich große Zweifel daran, dass wir schwache, nackte Zweibeiner wirklich den Höhepunkt der Evolution darstellten, wie man es uns weismachen wollte.
Seite 33



Sehr gut gefallen hat mir die unheimlich dichte Stimmung, die Marente de Moor vor allen Dingen durch das Unwissen über die Vergangenheit erzeugt, aber auch aktuelle Ereignisse bleiben lange im Schatten. Diese subtile Art der Spannungsmache kriecht einem förmlich unter die Haut.

Weniger mitreißend empfand ich Nadjas Gedankenergüsse, die eine deprimierende Sicht der Dinge offenbaren, wohl aufgrund ihres gescheiterten Lebens und dem zerrütteten Zusammenleben mit Lew, also zum Teil vollkommen nachvollziehbar. Alles in allem sehr bedrückend und ohne Anzeichen einer Entwicklung.

Eine Zeitlang haben wir wirklich gut zusammengelebt, Lew, ich und die Natur. Doch ich glaube, sie lässt uns jetzt dafür büßen, was andere Menschen, andere deplatzierte Primaten angestellt haben.
Seite 102



In »Phon«, vom Verlag als psychologisches Verwirrspiel betitelt, habe ich mich tatsächlich zwischen der Handlung im Wald und der teils konfusen Gedankenwelt Nadjas verloren und Marene de Moor hat mich mit ihrem Roman vollkommen verwundert zurückgelassen. Ehrlich gesagt konnten mich weder die Figuren berühren, noch konnte ich der verwirrenden Entwicklung, inklusive Rückblenden auf das Leben des Zoologenpaars etwas abgewinnen. Allerdings empfand ich den Ausflug in die russischen Wälder, die Natur mit ihren Tieren sowie die Einsamkeit an sich sehr spannend und auf eine fast schon surreale Weise faszinierend. Das war auch der Grund, warum mich das Buch schließlich nicht losgelassen hat.


Ein berückender Roman über scheiternde Träume und das Einsiedlerdasein in der russischen Wildnis. Natur und Poesie von Marente de Moors Erzählkunst haben mir gut gefallen, leider haben mich jedoch die Protagonisten vollkommen kalt gelassen, sodass ich keine Bindung zu ihnen aufbauen konnte.

★★★☆☆

*WERBUNG*


Titel: Phon
Originaltitel: Foon
Autorin: Marente de Moor
Übersetzerin: Bettina Bach
Genre: Gegenwartsliteratur
Verlag: Hanser Literaturverlage
ISBN-13: 978-3446270817
Format: Gebunden
Seitenanzahl: 336 Seiten
Preis: 24,00€
Erschienen: 23. August 2021

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Marente de Moor, 1972 in Den Haag geboren, lebte nach ihrem Studium der Slawistik mehrere Jahre in St. Petersburg, wo sie als Korrespondentin für niederländische und russische Medien arbeitete. Für ihren Roman Die niederländische Jungfrau (Suhrkamp, 2011) wurde sie mit dem BookSpot Literatuurprijs und dem Literaturpreis der Europäischen Union ausgezeichnet. 2019 erschien bei Hanser ihr viel gelobter Roman Aus dem Licht.

Quelle: Hanser Literaturverlage


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