{Rezension} Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit von Natasha Pulley


Lesedauer: 4 Minuten

1898 findet sich Joe Tournier in Londres am Bahnhof Gare du Roi in einer Welt wieder, in der England französisch ist und Epilepsie seine Erinnerungen ausradiert hat. Sein verwirrter Zustand bringen ihn in eine psychiatrische Klinik, der das Krankheitsbild vertraut ist und langsam beginnt er sich vage an eine Frau namens Madeline zu erinnern. Einige Zeit später erhält Joe eine Postkarte mit einer rätselhaften Botschaft, welche bereits 93 Jahre zuvor für ihn aufgegeben wurde, und ihn schließlich zu dem darauf abgebildeten Leuchtturm in Schottland und in die Vergangenheit führt.

Mit ihrem Debütroman »Der Uhrmacher in der Filigree Street« hat Natasha Pulley ihr großes Talent bereits unter Beweis gestellt, umso neugieriger war ich auf ihren zweiten literarischen Streich mit »Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit«, und eines kann ich gleich vorweg verraten: Ich wurde nicht enttäuscht.

Der bildhafte und einfühlsame Erzählstil von Natasha Pulley gepaart mit einem fesselnden und gut durchdachten Plot, hat mich förmlich an den Seiten kleben lassen und mich immer mehr mit seinem aufblühenden Zeitreiseparadoxon gefangen genommen. Was hier ganz leicht durch die Perspektive des Hauptprotagonisten Joe Tournier gelingt, denn Joe strandet ohne Erinnerungen an einem Bahnhof im französisch beherrschten England und an seiner Seite tappt man durch eine Welt, die völlig auf dem Kopf zu stehen scheint.

Die Hintergründe zu der seltsamen Weltordnung, in der England die Schlacht von Trafalgar im Jahr 1805 verlor, und sich nun die Machtkonstrukte von England, Frankreich und Spanien verkehrt haben, erspürt man nach und nach durch die häufigen Zeitsprünge, die zu zahlreichen Erzählfäden führen. Natasha Pulley versteht es bravourös, an diesen Fäden zu ziehen, diese mit Emotionen aufzuladen und sie schließlich zu einem geschlossenen Gesamtkunstwerk zu verweben.

»Liebster Joe, komm nach Hause, wenn du dich erinnerst. M.«
Seite 42

Dreh- und Angelpunkt bildet hierbei eine Postkarte mit einer rätselhaften Botschaft, die durch die Zeit reiste und eine Zeichnung des Leuchtturms auf Eilean Mòr enthält. Außerdem rühren diese kurzen Zeilen an der Erinnerung von Joe, sodass er dem unbedingt auf die Spur gehen will.

In der Nähe des Leuchtturms befindet sich tatsächlich ein Portal, durch das Joe in die Vergangenheit gelangt und mitten im Krieg in einem Netz aus Spionage und aufreibenden Seeschlachten landet. Als Zeitreisender aus der Zukunft ist er für England genauso wichtig wie für die Franzosen, denn das Wissen und die Technologie der Zukunft sind entscheidend für den Ausgang des Kampfes. Besonders hervorstechend sind hier die authentischen Schilderungen der Vorgänge auf einem Marineschiff im 19. Jahrhundert, denen Pulley allerdings zusätzlich noch starke weibliche Charaktere gegenüberstellt, die zu dieser Zeit überhaupt nicht das Recht hatten auf einem Schiff zu dienen.

Das Gesamtpaket um Joe Tournier und Kapitän Missouri Kite, das Reisen in der Zeit, welches unweigerlich die Gegenwart beeinflusst, gepaart mit einer ordentlichen Portion Gefühl, machen »Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit« zu einem anspruchsvollen und bewegenden Fantasyroman, den ich unbedingt weiterempfehlen möchte.


Absolut phantastisch, wie Natasha Pulley historische Ereignisse mit einem mitreißenden Zeitreiseabenteuer verknüpft.

★★★★½

*WERBUNG*


Titel: Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit
Originaltitel: The Kingdoms
Autor*in: Natasha Pulley
Übersetzer*in: Jochen Schwarzer
Genre: Historische Fantasy
Verlag: Hobbit Presse (Klett-Cotta)
ISBN-13: 978-3608986365
Format: Gebunden
Seitenanzahl: 544 Seiten
Preis: 25,00 €
Erschienen: 24. September 2022

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Natasha Pulley studierte in Oxford Englische Literatur. Nach Stationen im Buchhandel und bei der Cambridge University Press in den Bereichen Astronomie und Mathematik setzte sie ihre Studien in Tokyo fort. Sie erhielt ein Stipendium der Gladsone’s Library als Writer in Residence. Gegenwärtig hat sie Lehraufträge an den Universitäten von Bath und Cambridge. Ihr Debüt »The Watchmaker of Filigree Street« gewann den Betty Trask Award und wurde ein internationale Bestseller. Natasha Pulley lebt in Bristol.

Quelle: Klett-Cotta


Ein unglaublich intensives Buch über Leid und Verzweiflung, Liebe und Hoffnung, Kriege und Schlachten, Spionage und Wissen, die Auswirkungen von Zeitreisen und die vielen Menschen, die darin verzwickelt sind: fokussiert auf die fatale Begegnung zweier Menschen, deren Schicksal untrennbar miteinander verknüpft wird.
Weltenwanderer

Mysteriös, geheimnisvoll und außergewöhnlich […]
Nicoles Bücherwelt

Erst zum Schluss zeigt sich im Rückblick, wie gekonnt die Autorin die einzelnen Aspekte ihrer Geschichte zusammengefügt.
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Ich finde die Sprache von Pulley grandios und die Umsetzung der Ideen war auch okay, aber hier und da war mir das Buch teils etwas zu verdreht und kompliziert.
Der Büchernarr

Ein Leseabenteuer für Fans der gehobenen Fantasy.
Feiner reiner Buchstoff

Natasha Pulley hat mit “Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit” einen ausgereiften, spannenden und interessanten Roman gezaubert.
Gedankenvielfalt

Natasha Pulley überzeugt mit sprachlicher Raffinesse und komplexen Strukturen.
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Ein spannender Zeitreiseroman mit einem gut gelungenen historischen Grundgerüst. Ein wirklich besonderes Buch.
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