{Rezension} Ich, Ellyn von Nell Leyshon


Lesedauer: 4 Minuten

1573. In England wächst Ellyn auf einer Art Bauernhof unter ärmlichen Verhältnissen heran. Die seit kurzem fünfköpfige Familie hat kaum ausreichend Essen und der Vater ist durch einen Unfall ans Bett gefesselt, sodass ein großer Teil der Arbeit von Ellyn und ihrem Bruder erfüllt werden. Als sie eines Tages zum Markt in die Stadt geschickt wird, um etwas zu verkaufen, wird sie von der Musik, die aus der Kirche dringt, magisch angezogen. So etwas hat Ellyn noch nie gehört, und so etwas hat sie auch noch nie gefühlt.

Ellyn ahmt den Gesang nach und besitzt ein ungeahntes Talent fürs Singen. Da nur Jungen die Singschule in der Stadt besuchen dürfen, wagt Ellyn den gefährlichen Schritt und sichert sich verkleidet als Junge die Ausbildung ihrer Träume. Doch als königliche Gesandte auf Ellyns wunderschönen Gesang aufmerksam werden, wird das Mädchen für einen Chor rekrutiert, der für Elisabeth die I. singen soll. Zum ersten Mal in ihrem Leben ist Ellyn weit entfernt von ihrer Familie, ganz alleine mit ihrem Geheimnis…

Nell Leyshons berührenden Werke »Die Farbe von Milch« und »Der Wald« haben mich tief beeindruckt, sodass die Erwartungen an ihren neuesten Roman »Ich, Ellyn« dementsprechend hochgesteckt sind. Was soll ich sagen, auch dieser historische Roman aus dem 16. Jahrhundert hat mich gefesselt und bewegt!

Zugegeben, die besonders stilisierte Schreibweise von Nell Leyshon verlangt einem einige Seiten ab, um sich einzulesen, handelt es sich zunächst um einen Fließtext in Kleinschreibung mit fehlender Interpunktion und auch die grammatikalische Ausdrucksweise ist auf den Sprachgebrauch von Nell Leyshons Titelheldin Ellyn angepasst. Im Laufe des Romans spürt man die Entwicklung von Ellyn auch alleine an der Veränderung, die der Text durchmacht, denn nach und nach kommen Großschreibung, Interpunktion und eine gebildetere Sprache hinzu. Natürlich ist das auch große Geschmackssache, aber ich finde es lohnt sich ungemein, sich darauf einzulassen, denn es verleiht der Geschichte einen unglaublich authentischen Touch.

Aber jetzt weiß ich dass jeden tag dieselbe sonne kommt und ich weiß jetzt dass es immer derselbe mond ist
Ich verlier alle meine geheimnisse.
Seite 1..


Fasziniert von Ellyns atemberaubender Entwicklung, konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen und habe es fast in einem Rutsch verschlungen. Der größte Reiz an »Ich, Ellyn« übte für mich die Wahrnehmung der Titelheldin aus, wie sich ihre kleine Welt des abgeschiedenen Landlebens nach und nach ausweitet und schließlich Bildung ihren Horizont erweitert und dabei ihr bisheriges Wissen in den Schatten stellt. Dies ist zum Teil auch recht schmerzlich für die Protagonistin, vor allem in Anbetracht ihrer familiären Beziehung, denn Ellyn wächst über das einfache Leben hinaus.

Nell Leyshon steckt unglaublich viel Empowerment in ihre Geschichte, welches Mädchen und Frauen Mut machen kann und sie darin bestärkt ihren Weg zu gehen.


Ungewöhnlich wie immer beschert Nell Leyshon mit ihrem neuesten historischen Roman eine mitreißende Geschichte über die Emanzipation eines Bauernmädchens in der frühen Neuzeit.

★★★★☆

*WERBUNG*


Titel: Ich, Ellyn
Originaltitel: The Singing School
Autorin: Nell Leyshon
Übersetzerin: Wibke Kuhn
Genre: Historischer Roman
Verlag: Eisele Verlag
ISBN-13: 978-3961611294
Format: Gebunden
Seitenanzahl: 224 Seiten
Preis: 22,00 €
Erschienen: 24. Februar 2022

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Nell Leyshons Romane, Theaterstücke und Hörspiele erhielten bereits zahlreiche Auszeichnungen. Im Eisele Verlag erschien der Roman Die Farbe von Milch, für den sie neben James Salter und Zeruya Shalev für den Prix Femina nominiert war. Es folgte Der Wald, „eine herzzerreißende Liebeserklärung an Söhne und ihre Mütter“ (Brigitte). Mit Ich, Ellyn legt Nell Leyshon einen Roman vor, in dem ein junges Mädchen seine von Geburt an benachteiligte Stellung nicht hinnimmt und sich mit aller Macht seinen Platz im Leben erkämpfen will. Nell Leyshon wurde in Glastonbury geboren und lebt heute in Dorset.

Quelle: Eisele Verlag


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