{Rezension} Die tote Meerjungfrau von Thomas Rydahl & A. J. Kazinski

Kopenhagen, 1834. Der junge Dichter Hans Christian Andersen möchte mit seinem Handwerk in die Reihen der unvergessenen Schriftsteller gelangen. Sein Ansinnen ist bisher von wenig Erfolg gekrönt und dann gerät er auch noch unter Mordverdacht, als eine junge Prostituierte, die er für seine Scherenschnitte besuchte, tot im Wasser aufgefunden wird.

Durch die Fürsprache seines Mäzens erhält Hans Christian die einmalige Chance seine Unschuld zu beweisen, doch dafür bleiben ihm nur wenige Tage. In den zwielichtigen Gassen macht er sich auf die Suche nach dem wahren Mörder, und dabei benötigt er unbedingt die Hilfe von Molly, der Schwester der Ermordeten. Gemeinsam kommen sie einem Täter auf die Spur, dessen Weg noch andere Leichen säumen….

In ihrem historischen Roman »Die tote Meerjungfrau« spinnt das Autoren-Trio um Thomas Rydahl und A. J. Kazinski einen mitreißenden Krimi um die Entstehung von Hans Christian Andersens melancholisches und weltbekanntes Märchen »Die kleine Meerjungfrau«, bei der der Autor selbst unter Mordverdacht gerät und ihn die spannende Suche nach dem wahren Mörder in die dunkelsten Abgründe des 19. Jahrhunderts führt.

Die Geschichte ist nichts für zarte Nerven, denn das Schriftsteller-Team schildert auf beeindruckende Art und Weise die Lebensumstände und liefert eine detaillierte und äußerst bildhafte Darstellung des Settings. Soziale und gesellschaftliche Strukturen der Zeit werden gekonnt aufgegriffen und es wird auch nicht an den entsprechenden Umgangsformen gespart.

Vor diesem Hintergrund ist es äußerst spannend den damals noch recht unbekannten und erfolglosen Dichter Hans Christian Andersen auf seinem Weg zwischen Hurenhaus, dem Gefängnisaufenthalt, nachdem er unter Mordverdacht gerät, und seiner faszinierenden und träumerischen Gedankenwelt mit der er versucht dem wahren Mörder auf die Schliche zu kommen. Ungemein reizend ist die Art und Weise wie Andersen in diesem Roman mit Dingen spricht, ihnen zuhört und ihnen somit Leben einhaucht. Zum Dank geben die Gegenstände ihrem Zuhörer Informationen preis, die ihn auf die richtige Spur bringen. Seine Vorgehensweise erinnerte teilweise schon an modernes Profiling.

Für die Leser*innen ist schon zu Beginn der Geschichte recht klar, dass der spätere Märchenerschaffer nicht der Täter sein kann, denn die Geschichte wird auch noch aus einer zweiten Perspektive, die des Mörders, erzählt.

»Für einen Augenblick glaubt er wirklich daran, dass man vergessen kann, wer man ist, und ein anderer werden kann.«
Seite 137

Heimlicher Star der Geschichte ist für mich eindeutig der queere Antagonist, eine Transfrau, die äußerst clever vorgeht und mit allen Mitteln ihren Traum wahr werden lassen möchte. Natürlich steht die kunstvolle Darstellung des berühmten Schriftstellers, der sich damals nicht offen zu seiner Homosexualität bekennen konnte, dem in fast nichts nach. Beide Protagonisten verstoßen mit ihrer Sexualität und Identität gegen die Moralvorstellungen ihres Jahrhunderts und dennoch gab es viele von ihnen – Thomas Rydahl und A. J. Kazinski versinnbildlichen genau dies mit ihrem Roman und machen dadurch sichtbar, wie schrecklich dieser Zustand war.

»Die tote Meerjungfrau« ist ein beeindruckender Roman, in dem ein ungeschöntes Bild der Sozialkultur des 19. Jahrhunderts gezeichnet wird und damit indirekt gegen Rassismus, Sexismus und für mehr Toleranz und Selbstbestimmung geworben wird – ein Märchen vor einem äußerst authentischen Hintergrund. Der Clou bei der Sache ist, dass diese fiktionale Geschichte so geschickt eingebettet wurde, dass sich Bezüge zur Inspirationsquelle zu Andersens wohl berühmtesten Märchen, das der kleinen Meerjungfrau, ergeben! Es findet sich aber auch noch der Zusammenhang zu einem weiteren Werk, »Das Mädchen mit den Schwefelhölzern«, welcher bei mir alle Dämme brechen lies.


Ein beachtenswerter Kriminalroman, der sich den bekanntesten dänischen Dichter und Schriftsteller und sein berühmtes Märchen zum Motiv genommen hat und mit einem außerordentlichen Antagonisten auftrumpft.

★★★★½

*WERBUNG*


Titel: Die tote Meerjungfrau
Originaltitel: Mordet på en havfrue
Autoren: Thomas Rydahl & A. J. Kazinski
Übersetzer: Günther Frauenlob
Genre: Historischer Kriminalroman
Verlag: Droemer Knaur
ISBN-13: 978-3426282311
Format: Broschiert
Seitenanzahl: 448 Seiten
Preis: 14,99 €
Erschienen: Oktober 2020

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Thomas Rydahl, 1974 geboren, ist ein preisgekrönter dänischer Autor. Sein erster Roman, der Bestseller »Der Einsiedler«, wurde in 15 Länder verkauft. 2015 gewann er den Glasnøglen (Glasschlüssel), den Preis für den besten Skandinavischen Spannungsroman des Jahres.

Quelle: Droemer Knaur

A.J. Kazinski ist das Pseudonym des Autorenduos Anders Rønnow Klarl und und Jacob Weinreich, die seit 2010 bereits sieben Romane veröffentlicht haben, die sich zusammen über 450.000 mal in Dänemark allein verkauft haben. Außerdem wurden sie weltweit in über 20 Länder verkauft.

Quelle: Droemer Knaur


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8 Kommentare

  1. Hach meine Liebe ♥
    Ich freu mich, dass dich das Buch so begeistern konnte. Besonders, da dieses Buch ja im Vorraus so kontrovers diskutiert wurde. Aber ich werde mich sehr gern an deine Empfehlung halten und mir ebenfalls diese Geschichte nach Hause holen.

    Liebste Grüße!
    Gabriela

    • Liebste Gabriela,
      freut mich total, dass du dir nun doch noch das Buch holen wirst und ich bin schon sehr gespannt, was du davon halten wirst. Schreib mir gerne, wenn du es liest

      Liebe Grüße
      Bella

  2. Liebe Bella,

    voller Faszination habe ich deine Rezension gelesen. Ich habe richtig Lust bekommen das Buch auch lesen zu wollen. Ich mag es, wenn die Lokalkolorite der damaligen Zeit so lebendig umgesetzt werden. Und bei einem Krimi kann ich ohnehin nie nein sagen.
    Also habe ich mir das Buch jetzt notiert.

    Liebe Grüße
    Mo

    • Liebe Mo,

      freut mich sehr, dass ich dich auf diesen tollen Roman aufmerksam machen konnte. Ich finde Krimi und historischer Krimi sind hier toll vereint worden – wirklich sehr lesenswert.

      Liebe Grüße
      Bella

  3. Hallo Bella!
    Das klingt wirklich nach einer spannenden Lektüre. :)
    Werde das Buch dank deiner Rezension auf jeden Fall mal im Hinterkopf behalten.
    Danke! :D
    Liebe Grüße
    Diana

    • Liebe Diana,

      freut mich total, dass du nun durch mich auf das Buch aufmerksam wurdest. Wenn du gerne einen Mix aus historischem Roman und Krimi lesen magst, der mal etwas anders ist, kann ich dir das Buch nur wärmstens ans Herz legen.

      Herzliche Grüße
      Bella

  4. Einen wunderschönen guten Abend,

    und wow, ich habe vorher noch nicht von dem Buch gehört, aber das klingt ja nach einer richtig genialen, sehr durchdachten Geschichte. Die Grundidee und die Charaktere sprechen hier für sich. Klasse, danke für die vorstellung.

    Liebe Grüße
    Tina

    • Liebe Tina,

      sehr gerne – ich bin richtig froh auf das Buch in der Programmvorschau gestoßen zu sein. Die Komposition hat mir wirklich ausgesprochen gut gefallen. Davon hätte ich gerne mehr :)

      Ich wünsche Dir einen entspannten 4. Advent!

      Viele Grüße
      Bella

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