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1518, es herrscht ein glutheißer Sommer, beginnt in Straßburg eine Frau zu tanzen, tagelang ohne Unterbrechung. In den darauffolgenden Tagen schließen sich immer mehr Frauen an. Der Rat der Stadt ist verzweifelt und versucht der verrückten Manie Einhalt zu gebieten. Von diesen Vorfällen und der herrschenden Unruhe erhält auch die außerhalb der Stadt lebende Lisbet Kenntnis. Schwanger und bangend um ihre Lebensgrundlage, sorgt die Rückkehr ihrer Schwägerin Nethe aus siebenjähriger Verbannung für weiteren Aufruhr. Zwischen ungesagten Geheimnissen versucht Lisbet ihren Weg zu finden.
Kiran Millwood Hargrave ging mir bereits mit ihrem 2020 erschienenen historischen Roman »Vardø« tief unter die Haut. Klar, dass ich unbedingt auch in ihr nächstes Werk »Der Tanz der Frauen« eintauchen, und mich von ihren Worten erneut mitreißen lassen wollte.
Dieses Mal geht die Autorin noch ein Jahrhundert in der Zeit zurück, sodass ihre Geschichte dieses Mal im 16. Jahrhundert angesiedelt ist. Spielplatz ist erneut Europa, allerdings geht es dieses Mal nach Straßburg, wo in einem der heißesten bis dahin bekannten Sommer eine regelrechte Tanzwut ausbricht, die immer mehr Frauen ansteckt. Im Nachwort geht die Autorin auf die historischen Hintergründe dazu ein, welche sie zu diesem fiktionalen Roman inspiriert haben.
Erinnerungen steigen in ihr auf. Sie denkt an das erste Kind, das sie in sich trug, und an das zweite. Sie kommen zu ihr, alle ihre Kinder, tauchen eines nach dem anderen aus der Musik hervor wie Geister […]
Seite 236
Zudem möchte ich eine Triggerwarnung aussprechen, denn die Autorin verarbeitet in diesem Buch auch ihre Fehlgeburten, was mir immer wieder die Tränen in die Augen trieb. Besonders vor dem Hintergrund der damaligen Zeit und dem strengen religiösen Glauben, der einfach über allem stand. Wie Lisbet den Schmerz über ihren Verlust mithilfe eines heidnischen Tanzbaumes zu lindern versucht, hat mich zutiefst berührt!
Der Tanzbaum mitten im Wald ist Lisbets Fluchtort und ist in ihrer christlichen Welt ein gefährliches Geheimnis. In ihrer Schwägerin Nethe und dem türkischen Musikanten findet Lisbet zum ersten Mal nach ihrer besten Freundin Ida, Vertraute in ihrem Leben, mit welchen sie diesen besonderen Ort teilt.
»Ja, Gotteslästerung. Aber er ist es, der Gott lästert!« ruft Lisbet. »Er ist kein Diener Gottes. Ihm geht es nur um sich selbst.«
Seite 252
Während sich das Ausmaß der tanzenden Frauen in Straßburg steigert, kommt Lisbet dem Geheimnis von Nethe und Ida auf die Spur. Lisbet wird zur Mitwisserin und gibt Einblick darauf, wie schwer es zu dieser Zeit war, sich an die allumfassenden kirchlichen Regelungen zu halten. Besonders, wenn der Glaube von den Machtträgern nach ihrem eigenen Gutdünken und Gefallen ausgelegt wurde.
Kiran Millwood Hargrave spürt diesen Machtstrukturen und den Auswirkungen auf das Leben der Menschen zu dieser Zeit nach und lässt unweigerlich die Frage danach aufkeimen, inwieweit wir bis heute daraus gelernt und etwas geändert haben.
Die Autorin hat mit »Der Tanz der Frauen« einen gefühlvollen und mitreißenden Roman vorgelegt, der an der ein oder anderen Stelle dem prallen Themenspektrum nicht ganz gerecht zu werden scheint. Trotzdem kann ich das Buch aus vollem Herzen weiterempfehlen, da es mich so sehr berührt hat!
Kiran Millwood Hargrave gelingt es in »Der Tanz der Frauen«, eine bewegende Geschichte über Verlust, Glauben und Machtstrukturen im 16. Jahrhundert zu erzählen. Trotz eines breiten Themenspektrums, das nicht immer vollständig ausgearbeitet wird, berührt der Roman mit seiner tiefen Emotionalität und eindrucksvoller Darstellung historischer Gegebenheiten.
Titel: Der Tanz der Frauen
Originaltitel: The Dance Tree
Autor*in: Kiran Millwood Hargrave
Übersetzer*in: Stefanie Fahrner
Genre: Historischer Roman
Verlag: Diana (Penguin Random House)
ISBN-13: 978-3453292680
Format: Gebunden
Seitenanzahl: 384 Seiten
Preis: 22,00 €
Erschienen: 28. Juni 2023

Kiran Millwood Hargrave wurde 1990 in Surrey geboren. In ihrem ersten Jahr an der Universität begann sie Lyrik zu verfassen und veröffentlichte drei Gedichtbände und ein Theaterstück. Ihre Kinderbücher wurden in England sofort zu Bestsellern, sie gewann den Waterstones Children’s Book Prize und den British Book Awards für das Children’s Book of the Year. »Vardø. Nach dem Sturm« ist ihr erster Roman für Erwachsene. Mit ihrem Mann Tom und der Katze Luna lebt die Autorin in Oxford direkt am Fluss.
Quelle: Penguin Random House

Hallo liebe Bella,
interessante Geschichte, die ich mir gerne mal merken werde, denn ich bin ein Fan von historischen Romanen …..wo gerne Frauen auch mal ihren eigenen Weg gehen dürfen/sollen.
Immer sehr schwierig in der damaligen Gesellschaft/mit Kirche im Verbund…
LG..Karin..
Liebe Karin,
es freut mich sehr, dass ich dich auf diese Geschichte aufmerksam machen durfte. Falls dich solche Storys interessieren, wäre evt. auch der Roman „Vardo“ von dieser Autorin etwas für dich.
Herzliche Grüße
Bella